Schuldgefühle, Verschuldungswahn, Versündigungsideen
Schuldgefühle zählen zu den quälenden Begleiterscheinungen depressiven Erlebens. Nicht gut genug zu sein. Schwere Fehler begangen zu haben. Falsche Entscheidungen getroffen zu haben. Dafür nun die gerechte Strafe zu erhalten. Die Idee von Schuld und Schulden eskaliert im Erleben der Menschen.
Häufig kommen zu den Vorwürfen über die Vergangenheit düstere Phantasien von der Zukunft hinzu. Man befürchtet, alles zu verlieren und unter der Brücke zu landen. In der Summe verstärken alle diese – nachweislich falschen – Grundannahmen über das Leben die depressive Symptomatik. Es scheint sich alles selbst zu bestätigen.
Wahrheit Nummer eins: Sie sind nicht schuld!
Beginnen Sie jetzt, sofort mit einer grundlegend anderen, neuen Beschreibung Ihres aktuellen Erlebens.
Stop.
Sagen Sie sich:
„Auch wenn ich mich momentan wie schuldig fühle – beladen bin ich von zu großen Gedanken“
Zu große (man sagt auch überwertige) Gedanken sind typisch für depressive Episoden:
Warum ist „Es ist alles verloren“ eine falsche Grundannahme?
Natürlich ist nicht alles verloren, auch wenn aktuell vieles verloren scheint. Der Mensch hat sich vorübergehend von allem zurückgezogen. Und das könnte sich als angebracht erwiesen haben. Und falls sich auch die Freunde zurückgezogen haben sollten: Wahre Freunde sind wieder da, wenn der depressiv gewesene Mensch wieder am Leben teilnimmt.
Warum ist „Ich bin an allem schuld“ sachlich falsch?
Fragen Sie sich zum einfacheren Verständnis: Bin ich schuld am Untergang der Titanic, am Ausbruch der Weltkriege, am Börsencrash? Natürlich nicht. Auch bei der Frage nach allen anderen Themen, mit denen Sie sich momentan belasten, werden Sie zu einer deutlich milderen Einstellung gelangen.
Was sagen Ihre Nahestehenden zu einem Satz wie „Es wäre besser, ich wäre nie geboren worden“?
Ihre Eltern, Ihr Partner, Ihr Kind bzw. Ihre Kinder und dann die Freunde, Bekannten und Kollegen: Man freut sich darauf, Sie wieder als den geschätzten und geliebten Menschen zu erleben, wie man sie kennt.
Warum „Es ist eine Katastrophe“ im Vergleich zu Naturereignissen Unsinn ist
Stellen Sie sich für einen Moment vor, Sie würden aus dem Weltraum auf die Erde schauen. Sie könnten die wassergefüllten Luftmassen sehen, die sich über ganze Kontinente erstrecken. Die Weltmeere, in denen Unterwasservulkane ausbrechen und zu Seebeben führen. Und dann legen Sie als Größenvergleich das dazu, was Sie momentan als persönliche Katastrophe bewertet hatten.
Meistens helfen diese einfachen Gedanken und Bilder sehr schnell, in der Selbsteinschätzung wieder auf den gesunden Boden der Tatsachen zu kommen.
Schuldgefühle verursachen enorme emotionale Schulden. Großzügigkeit mit sich selbst wirkt wie ein Dauerkredit zum Nullzins, der nie zurückgezahlt werden muss.
Johannes Faupel
Autor: Johannes Faupel
Position: Partner im Zentrum für systemische Supervision Frankfurt
- Fachrichtung: Systemischer Therapeut und Berater SG, IGST, Fachbuchautor Springer Gabler
- Zertifizierung: Systemische Gesellschaft (SG) und Internationale Gesellschaft für Systemische Therapie (IGST), Fachbuchautor Springer
- Akkreditierung als Fachjournalist DFJV für die Fachbereiche Medizin, Gesundheit, Technik, Wissenschaft und Bildung beim Informationsdienst Wissenschaft IDW
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- Profil bei Brainguide
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- Publikationen: Burnout-Prävention und -Intervention, Springer, 2020, Gedankenwohnung und Gedankentaxi, Exponere-Verlag
- Veröffentlichungsdatum: Februar 2021